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Mietspiegel bestritten: Sachverständigengutachten?

Mietspiegel bestritten: Sachverständigengutachten?

Mietrecht Rechtsprechung BGH Mietspiegel

Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18.11.2020 (Az. VIII ZR 123/20) kann ein in seiner Qualifikation als qualifiziert bestrittener Mietspiegel mit Indizwirkung als einfacher Mietspiegel durch das erkennende Gericht herangezogen werden. Er kann dann als Schätzungsgrundlage für die ortsübliche Vergleichsmiete verwendet werden. Das Gericht ist alternativ aber auch berechtigt, ein Sachverständigengutachten zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete einzuholen, auch wenn es damit den Mieter dem Risiko aussetzt, im Falle des Prozessverlusts diese Kosten tragen zu müssen.

Der konkrete Fall

Der Vermieter forderte mit Hinweis auf den qualifizierten Mietspiegel der Gemeinde den Mieter auf, der Erhöhung der Grundmiete zuzustimmen. Der Mieter stimmte der Mieterhöhung nicht zu, worauf der Vermieter den Mieter gerichtlich auf Zustimmung zur Mieterhöhung in Anspruch nimmt. Das Amtsgericht zog den Mietspiegel als bloße Orientierungshilfe heran, war im Rahmen einer eigenen Schätzung aber nicht überzeugt, dass die gezahlte Miete niedriger liegt, als die ortsübliche Vergleichsmiete. Die Klage des Vermieters wurde also abgewiesen.

Der Vermieter geht in der Berufungsinstanz dagegen vor und bestreitet die Qualifikation des Mietspiegels durch sog. Privatgutachten. Das Landgericht verurteilt den Mieter nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete – im Gegensatz zum Amtsgericht wird also keine eigene Schätzung vorgenommen – zur Zustimmung zur Mieterhöhung.

Grundsätze zur gerichtlichen Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete

Nach ständiger Rechtsprechung dürfe die ortsübliche Vergleichsmiete im Prozess nur auf der Grundlage von Erkenntnisquellen bestimmt werden, durch die die tatsächlich und üblicherweise gezahlten Mieten für vergleichbare Wohnungen in einer für die freie tatrichterliche Überzeugungsbildung hinreichenden Weise ermittelt worden seien.

Sei die Höhe der vom Vermieter in seinem Zustimmungsverlangen zugrunde gelegten ortsüblichen Vergleichsmiete bestritten worden, habe das Gericht sich seine richterliche Überzeugung durch Erhebung des vom beweisbelasteten Vermieter angebotenen Beweismittels – hier durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zur ortsüblichen Vergleichsmiete – zu verschaffen, sofern nicht eine Schätzung möglich sei. Einer solchen Beweisaufnahme stehe nicht entgegen, dass der Mieter sich darauf berufe, die ortsübliche Vergleichsmiete sei auf der Grundlage eines Mietspiegels zu bestimmen, der als qualifiziert gelte.

Zwar komme einem qualifizierten Mietspiegel die gesetzliche Vermutung zu, dass die dort bezeichneten Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergeben. Liege unbestritten oder nachgewiesenermaßen ein qualifizierter Mietspiegel vor, dürfe das Gericht von der Erhebung eines Sachverständigengutachtens zu der ortsüblichen Vergleichsmiete absehen. Diesen Weg werde das Gericht bereits aus prozessökonomischen Gründen und zur Vermeidung des Anfalls hoher Kosten für ein Sachverständigengutachten zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete beschreiten.

Beweiserhebung bei Bestreiten des Mietspiegels als qualifiziert

Werde dagegen die Qualifikation des Mietspiegels – wie hier von dem Vermieter durch Vorlage eines Privatgutachtens – hinreichend bestritten, sei das Gericht nicht gehalten, zunächst Beweis darüber zu erheben, ob der Mietspiegel nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt wurde. Diesen Weg könne es beschreiten, müsse es aber nicht. Es könne stattdessen auch ein vom klagenden Vermieter zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete angebotenes Sachverständigengutachten einholen.

Das gelte auch, obwohl ein solcher in seiner Qualifikation bestrittener Mietspiegel als einfacher Mietspiegel mit Indizwirkung für die ortsübliche Vergleichsmiete herangezogen werden kann (dazu berichteten wir bereits hier). Das Gericht sei nicht verpflichtet, seine Überzeugungsbildung auf aussagekräftige Indizien zu stützen und von der Erhebung des von der beweisbelasteten Partei zum Nachweis der Haupttatsache angebotenen Beweismittels abzusehen.

Sachverständigengutachten auch dann möglich, wenn Schätzung zulässig

Allerdings stehe es im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, ob es die beantragte Beweisaufnahme (hier Einholung eines Sachverständigengutachtens) durchführe oder sich – in Abweichung von dem Gebot der Erschöpfung der Beweisanträge mit einer Schätzung begnüge.

Denn eine Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete innerhalb der in einem Mietspiegel vorgegebenen Spanne durch ein Sachverständigengutachten sei in Fällen der vorliegenden Art häufig mit Schwierigkeiten und einem Kostenaufwand verbunden, der zu der Höhe der geltend gemachten Mieterhöhung unter Berücksichtigung der als Schätzgrundlage vorhandenen Orientierungshilfe außer Verhältnis stehe.

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