Aktueller Artikel
Räumungsklage bei Widerspruch vor Ablauf der Räumungsfrist

Räumungsklage bei Widerspruch vor Ablauf der Räumungsfrist

indexmiete mietrecht bgh

Kann der Vermieter nach Kündigung und noch während laufender Räumungsfrist auch dann bereits Räumungsklage erheben, wenn der Mieter nur Widerspruch wegen fehlenden Auffindens von Ersatzwohnraum erhebt?

Ja. Nach Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 25.10.2022 (Az. VIII ZB 58/21) ist auch in einem solchen Fall das „Sich-Entziehen“ der maßgeblichen Vorschrift des § 259 ZPO gegeben.

Klage auf künftige Leistung

Im vorliegenden Fall handele es sich um eine sog. Klage auf künftige Leistung nach § 259 ZPO. Dabei gelte für die Besorgnis bzw. die Befürchtung der nicht rechtzeitigen Räumung durch den Mieter kein besonderer, von anderen Fallgestaltungen dieser Vorschrift abweichender Maßstab, wenn es sich bei dem Schuldner um einen Wohnraummieter handele, der unter Verweis auf die bislang erfolglose Suche nach Ersatzwohnraum den weiteren Verbleib in den Mieträumen auch für die Zeit nach Beendigung des Mietverhältnisses ankündige.

Kein besonderer Schutz des Wohnraummieters

In der Instanzrechtsprechung sei bislang auch die Ansicht vertreten worden, dass es für die Annahme einer Besorgnis im Sinne der Vorschrift nicht genüge, wenn der Mieter den Vermieter – im Rahmen eines Widerspruchs gegen die Kündigung oder auf andere Weise – auf Schwierigkeiten bei der Suche nach Ersatzwohnraum hinweise.

Eine solche, die gesetzliche Klagemöglichkeit des Vermieters von Wohnraum einschränkende Auslegung des § 259 ZPO sei aber abzulehnen.

Auch in den Fällen des Widerspruchs eines Wohnraummieters gegen die Kündigung des Mietverhältnisses nach den §§ 574 ff. BGB komme es grundsätzlich nur darauf an, ob der Vermieter aufgrund der Erklärung oder des sonstigen Verhaltens des Mieters davon ausgehen müsse, dieser werde zu einer Räumung und Herausgabe der Mieträume im Zeitpunkt der (vom Vermieter geltend gemachten) Beendigung des Mietverhältnisses nicht bereit sein.

Sich-Entziehen von der Räumungspflicht

Das nach dem Wortlaut des § 259 ZPO erforderliche „Sich-Entziehen“ des Schuldners hinsichtlich seiner Leistungspflicht sei eben auch dann zu erwarten, wenn der Mieter deutlich gemacht habe, er werde mangels Verfügbarkeit von Ersatzwohnraum über den Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses hinaus in der Wohnung des Vermieters verbleiben.

Auch in diesem Fall habe er die Nichterfüllung der Leistungspflicht in seinen Willen aufgenommen. Denn ein das zukünftige Verhalten des Schuldners bewertendes Element sei mit der Formulierung des „Sich-Entziehens“ nicht verbunden. Maßgeblich ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs alleine die mangelnde Bereitschaft des Mieters zur Räumung.

Der historische Gesetzgeber habe wie folgt erkannt: Der Rechtsverkehr habe ein Bedürfnis daran, Gläubigern in bestimmten Fällen die Wahrnehmung ihrer Rechte so zeitig zu ermöglichen, dass sie schon bei Eintritt der Fälligkeit des Anspruchs über ein die Zwangsvollstreckung gestattendes Urteil verfügen und mit der Zwangsvollstreckung beginnen können.

§ 259 ZPO bezwecke damit den Schutz des Gläubigers, der bei Gefährdung seines Anspruchs nicht, wie ansonsten erforderlich, mit der Erhebung der Klage zuwarten muss, bis der Anspruch fällig ist, sondern diesen bereits geltend machen darf, wenn er noch nicht fällig ist.

Eine andere Ansicht bzw. Verzögerung zu Lasten des Vermieters käme einem vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen zusätzlichen Kündigungsschutz gleich.

Es werde auch kein unzulässiger Zwang auf den Mieter ausgeübt. Habe der Vermieter Räumungsklage erhoben, obwohl der Mieter bis dahin weder der Kündigung ausdrücklich widersprochen noch in anderer Weise zu erkennen gegeben hatte, dass er dessen Räumungsbegehren bei Ablauf der Kündigungsfrist nicht nachzukommen bereit sei, sei auch die Besorgnis einer bei Fälligkeit nicht rechtzeitigen Räumung der Wohnung durch den Mieter nicht gerechtfertigt und die Räumungsklage des Vermieters schon mangels Vorliegens der besonderen Voraussetzungen des § 259 ZPO unzulässig.

> Zum Volltext der Entscheidung (PDF)

BGH-Urteile im Mietrecht

Kennen Sie schon unsere BGH-Urteilsübersicht zum Mietrecht? Aktuelle Mietrechtsurteile des BGH für Sie zusammengefasst. Eine besondere Kennzeichnung ermöglicht einen schnellen Überblick dahingehend, ob die jeweilige BGH-Entscheidung eher vermieterfreundlich ausfällt.